GIP News • 17.01.2022

Epstein-Barr-Virus als Ursache für Multiple Sklerose

US-Forscher wollen Hauptursache für Multiple Sklerose (MS) gefunden haben

Andere MS-Experten beurteilen Studie zurückhaltender

Die Ursachen für die Entstehung von Multipler Sklerose (MS) sind bislang nicht geklärt. Ein Team von US-Forschern um Alberto Ascherio konnte jetzt im Rahmen einer groß angelegten Studie nachweisen, dass eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus möglichweise als Hauptursache für die Entstehung von MS anzusehen ist. Die Studie wurde jetzt im Fachmagazin "Science" veröffentlicht.

Infektion mit Epstein-Barr-Virus geht Multiple Sklerose voraus

Die Forscher von der Harvard University untersuchten die Blutproben von mehr als 10 Millionen Beschäftigten der US-Streitkräfte. Bei 955 Probanden wurde während ihrer Zeit bei den Streitkräften Multiple Sklerose festgestellt. Die Forscher untersuchten bei 801 dieser MS-Betroffenen die letzte Blutprobe, die vor dem Krankheitsbeginn abgenommen wurde, auf Antikörper gegen EBV. Mit dem Ergebnis: Nur ein Betroffener hatte beim Ausbruch seiner MS-Erkrankung keine Antikörper gegen das Epstein-Barr-Virus in seinem Blut. Alle anderen hatten sich vorher mit EBV infiziert und entsprechende Antikörper entwickelt.

Aber nicht nur das. Da die US-Soldaten alle zwei Jahre auf eine mögliche HIV-Infektion getestet wurden, konnten die Forscher bei den Betroffenen auf Blutproben zu unterschiedlichen Zeitpunkten zurückgreifen. So gab es Betroffene, die zu Beginn ihrer Armee-Dienstzeit keinerlei Antikörper gegen das Epstein-Barr-Virus aufwiesen. Bei ihnen konnten auch keine MS typischen Biomarker entdeckt werden. Erst nachdem sich auch diese Betroffenen mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert hatten, konnten auch in ihrem Blut MS-Biomarker nachgewiesen werden und das sogar, bevor die MS-Erkrankung sich durch typische Symptome bemerkbar machte.

 

Risiko für MS-Erkrankung um Faktor 32 erhöht

Die US-Forscher zogen daher die Schlussfolgerung, dass die meisten MS-Erkrankungen durch das Epstein-Barr-Virus verursacht würden, da das Risiko an MS zu erkranken, bei Personen ohne EBV-Infektion extrem niedrig sei. Eine EBV-Infektion erhöhe das Risiko an MS zu erkranken um den Faktor 32. Sie stufen das Epstein-Barr-Virus daher als mit Abstand wichtigste Ursache einer Multiple Sklerose-Erkrankung ein.

Für Ralf Gold, Direktor der Neurologischen Klinik am St. Josef Hospital der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und Vorsitzender des Ärztlichen Beirats der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) ist die Studie "ein Meilenstein". An den Resultaten komme man nicht vorbei.

 

Neue Fragen für die MS-Forschung

Andere Experten sehen durch die jetzt vorgelegten Ergebnisse neue Herausforderungen auf die MS-Forschung zukommen. So meinte Klemens Ruprecht von der Multiple Sklerose Ambulanz der Berliner Charité gegenüber BR24: "Durch welche Mechanismen das EBV an der Entwicklung einer MS mitwirkt, ist derzeit unbekannt. Daher ist die entscheidende wissenschaftliche Herausforderung, nunmehr den Mechanismus zu klären, durch den EBV in der Entstehung der MS eine Rolle spielt. Die zentrale Frage lautet somit nicht ob, sondern wie EBV an der Entwicklung einer MS beteiligt ist." Denn: Rund 95 Prozent aller Menschen infizieren sich in ihrem Leben mit dem Epstein-Barr-Virus, aber nur sehr wenige erkranken später auch an Multipler Sklerose.

MS-Forscher wie der Neuroimmunologe Roland Martin vom Universitätsspital Zürich sind der Ansicht, dass neben EBV auch andere Faktoren bei der Entstehung von Multipler Sklerose eine wichtige Rolle spielen: "Es gibt eine Reihe von Risikogenen. Zudem sind neben einer EBV-Infektion weitere Umweltrisikofaktoren im Zusammenhang mit MS zu nennen." Als weitere potenzielle Risikofaktoren gelten z. B. Rauchen, Fettleibigkeit im späten Kindesalter und frühen Erwachsenenalter sowie spezielle Darmbakterien.

 

Kein zeitnaher EBV-Impfstoff

Die Experten dämpfen zugleich die Hoffnung auf schnell verfügbare Medikamente und Impfstoffe gegen Multiple Sklerose. Klemens Ruprecht: "Theoretisch bedeutet der kausale Zusammenhang zwischen EBV und MS, dass eine Impfung gegen EBV die Entstehung einer MS verhindern sollte. Praktisch stehen derzeit aber keine zugelassenen EBV-Impfstoffe zur Verfügung. Darüber hinaus würde es, selbst wenn es gelänge, einen wirksamen Impfstoff gegen EBV zu entwickeln, Jahrzehnte dauern, bis abschließend klar wäre, ob ein derartiger Impfstoff tatsächlich einen Schutz vor MS bewirkt."

Auch Medikamente gegen EBV sind in naher Zukunft nicht zu erwarten.

Das Epstein-Barr-Virus

Das Epstein-Barr-Virus zählt zu den Herpesviren und kann das sogenannte Pfeiffersche Drüsenfieber auslösen. Im Laufe ihres Lebens infizieren sich rund 90 Prozent aller Menschen mit dem Virus. Die Infizierten tragen das Virus dann ihr ganzes Leben lang in ihrem Körper. Das Epstein-Barr-Virus (EBV) wird von Wissenschaftlern schon länger als einer der Verursacher von MS gehandelt.

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