GIP News • 20.11.2024

Intensivpflege Ratgeber: Einsamkeit

Dunkelflaute in den Beziehungen: Pflegebedürftigkeit und Einsamkeit in der kühlen Jahreszeit

Was ist Einsamkeit und wie lässt sie sich vermeiden?

Erkrankte und pflegebedürftige Menschen fühlen sich altersunabhängig häufiger einsam. Die dunkle, kalte Jahreszeit verstärkt dieses Gefühl, da sich die Menschen vor allem zuhause aufhalten und sich soziale Kontakte reduzieren.

Wie einsam sind Pflegebedürftige in Deutschland?

Auch wenn die meisten Menschen in Deutschland nicht einsam oder isoliert leben, haben sich Einsamkeitsgefühle in den letzten Jahren auch bedingt durch die Corona-Pandemie verstärkt. Vor allem sehr alte, alleinlebende sowie junge Menschen leiden verstärkt unter Einsamkeit. Häufiger Frauen als Männer. Eine aktuelle Umfrage aus dem Frühjahr 2024 im Auftrag der Bertelsmann Stiftung kam zu dem Ergebnis, dass sich 11 Prozent der jungen Menschen zwischen 16 und 30 Jahren sehr einsam fühlen. Hinzu kommen 35 Prozent, die sich moderat einsam fühlen. Bei den 90-Jährigen sind es ebenfalls 11 Prozent, die sich einsam fühlen. Betroffen sind dabei häufiger Hochaltrige, die in einem Heim wohnen, als Menschen, die noch in einem Privathaushalt leben.

Pflegebedürftigkeit kann das Gefühl der Einsamkeit verstärken, da sie in vielen Fällen die Teilhabe am gesellschaftlichen Zusammenleben einschränkt. Gerade pflegebedürftige Menschen, die allein und weitgehend ohne soziale Kontakte bzw. in sozialer Isolation leben, haben ein erhöhtes Risiko, sich einsam zu fühlen. So kam eine Studie zur häuslichen Pflege des Sozialverbands VdK aus dem Jahr 2021 zu dem Ergebnis, dass sich rund 23 Prozent der befragten 3.700 pflegebedürftigen Menschen einmal in der Woche einsam und verlassen fühlten. Immerhin 19 Prozent fühlten sich täglich einsam und etwa 20 Prozent hatten als einzigen sozialen Kontakt ihre Hauptpflegeperson.

Einsamkeit: Formen, Folgen, Teufelskreis

Welche Formen von Einsamkeit gibt es?

Einsamkeit kann in unterschiedlichen Formen auftreten:

  • Emotionale Einsamkeit - wenn Pflegebedürftige Einsamkeit als Mangel an engen Beziehungen erleben.
  • Soziale Einsamkeit - wenn Pflegebedürftige darunter leiden, dass sie von Freunden, Bekannten und Familienangehörigen getrennt sind.
  • Kollektive Einsamkeit - wenn sich Pflegebedürftige von einer sozialen Gruppe ausgeschlossen fühlen.

 

Einsamkeit kann kurzfristig auftreten und Betroffene im positiven Sinne zu mehr und intensiveren sozialen Kontakten motivieren. Länger andauernde Einsamkeit hingegen kann sich zur chronischen Einsamkeit entwickeln - mit negativen Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen. Die Lebensqualität nimmt ab und sowohl die seelische als auch die körperliche Gesundheit können darunter leiden.

 

Welche gesundheitlichen und sozialen Folgen kann Einsamkeit haben?

  • Chronische Einsamkeit und soziale Isolation können die körperliche Gesundheit beeinflussen und z. B. zu Schmerzen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einem geschwächten Immunsystem, Adipositas oder einer verringerten Lebenserwartung führen.
  • Einsamkeit erhöht den subjektiv wahrgenommenen Stress und die Angst vor negativen Einschätzungen und Zurückweisungen durch andere. Das Selbstwertgefühl leidet. Betroffene neigen zu Pessimismus, Ärger und Wut. Psychische Folgen von Einsamkeit können z. B. Schlafprobleme, Demenz, Ängste, Depressionen, Lebensmüdigkeit oder auch einfach eine ungesunde Lebensweise sein.
  • Neben den gesundheitlichen Auswirkungen kann Einsamkeit auch Folgen für das Sozialleben der Betroffenen haben. Dazu gehören Rückzug aus dem Sozialleben, Probleme beim Beziehungsaufbau, weniger Vertrauen in andere Menschen und auch in Institutionen sowie abnehmende gesellschaftliche und politische Beteiligung.


Wie entsteht Einsamkeit?

Das Gefühl von Einsamkeit entsteht, wenn der individuelle Wunsch nach Geborgenheit, Zuwendung und Zugehörigkeit nicht erkannt und genügend befriedigt wird. So können sich z. B. auch pflegebedürftige Menschen einsam fühlen, die häufiger Besuch erhalten.

 

Der Teufelskreis der Einsamkeit

Einsamkeit ist eine Emotion, die wie auch andere Emotionen (Freude, Begeisterung, Angst) ansteckend ist. ➜ Einsame Menschen werden daher von anderen eher gemieden. ➜ Das verstärkt wiederum die soziale Isolation und schwächt das Selbstwertgefühl. ➜ Das Gefühl der Einsamkeit und der Rückzug aus den sozialen Beziehungen nehmen weiter zu. 

 

Einsamkeit früh erkennen und zum Gesprächsthema machen

Einsamkeit ist insofern nicht messbar wie z. B. der Blutdruck, da es sich um ein sehr subjektives Empfinden handelt. Ein individuell empfundenes Fehlen sozialer Kontakte, das als negative Belastung und belastendes Gefühl wahrgenommen wird.

Trotzdem gibt es nach außen wahrnehmbaren Anzeichen und Symptome, die auf Einsamkeit von Pflegebedürftigen hindeuten können. Dazu gehören Traurigkeit, Trauer, ein Gefühl der inneren Leere, Anspannung, sozialer Rückzug oder eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Angehörige und Pflegekräfte sollten derartige Symptome unbedingt beachten und den betroffenen, pflegebedürftigen Menschen direkt auf sein Befinden und seine Bedürfnisse ansprechen.

    Einsamkeit in der Pflege vermeiden

    Die Kraft der Beziehungen

    • Intensive soziale Beziehungen und soziale Netzwerke wirken Einsamkeit entgegen und stärken die Gesundheit sowie das Vertrauen in die Welt. Einsamkeit kann nicht entstehen, wenn sich Pflegebedürftige:
      • von anderen wahrgenommen fühlen,
      • Zuneigung und Wertschätzung verspüren,
      • emotionale oder auch praktische Unterstützung erhalten
      • und sich einer Gemeinschaft zugehörig fühlen.

     

    Einsamkeit entgegenwirken oder verhindern: Tipps für den Alltag

    • Pflegebedürftige sensibel beobachten: Lassen sich Zeichen der Einsamkeit erkennen? Wie steht es um die sozialen Beziehungen?
    • Soziale Einbindung, Zuneigung, Wertschätzung und Unterstützung, um das Zugehörigkeitsgefühl zu fördern
    • Aufklärung aller Personen im Pflegekontext über die Ursachen, Folgen und auch die Prävention von Einsamkeit
    • Direkte Gespräche mit den Betroffenen, um den Einsamkeitsgefühlen auf den Grund zu gehen
    • Geduld und Hartnäckigkeit, da einsame Menschen Hilfsangebote häufig erst einmal abwehren oder zurückweisen
    • Regelmäßige Unterstützung durch Familie, Freunde, Nachbarn oder auch durch Institutionen sowie praktische Hilfe im Alltag
    • Durch stetige Fürsorge und Verlässlichkeit den Betroffenen Sicherheit und Geborgenheit vermitteln
    • Struktur im Tagesablauf mit festgelegten Schlafenszeiten und regelmäßigen Mahlzeiten
    • Aufenthalt und Bewegung im Freien
    • Anregung, Aufbau und Förderung von sozialen Kontakten und Netzwerken sowie gemeinsamen Aktivitäten vom Spaziergang, über den begleiteten Einkauf oder Friseurtermin bis hin zum Spielenachmittag oder Nachbarschaftstreff
    • Förderung der kommunikativen Fähigkeiten von Betroffenen, damit das Aufbauen sozialer Kontakte wieder leichter fällt
    • Aktive Auseinandersetzung mit den Ursachen von Einsamkeit, nur so lassen sich diese aus dem Weg räumen
    • Schaffung eines barrierearmen oder barrierefreien Umfelds, um eine sichere Mobilität und soziale Teilhabe der Pflegebedürftigen zu ermöglichen
    • Regelmäßiger Kontakt von Angehörigen, Freunden und Bekannten mit Pflegebedürftigen z. B. durch Besuche, Telefonate oder Videocalls
    • Die Nutzung von fachlichen Beratungsangeboten z. B. durch den Hausarzt, um Einsamkeitsgefühlen entgegenzuwirken
    • Psychotherapie, um Einsamkeit und ihre Ursachen zu behandeln
    • Politische und mediale Initiativen, die eine breite Öffentlichkeit für das Thema Einsamkeit sowie die betroffenen Menschen sensibilisieren

     

    Häufig unterschätztes Risiko: Einsamkeit bei pflegenden Angehörigen

    Auch pflegende Angehörige haben ein erhöhtes Risiko für Einsamkeit und soziale Isolation, wenn sie durch die Pflege eines Menschen rund um die Uhr gebunden sind und den eigenen Beruf oder Hobbys nicht mehr ausüben und bestehende Kontakte nicht mehr pflegen können. Bei einer Studie zur häuslichen Pflege des Sozialverbands VdK aus dem Jahr 2021 gaben rund 21 Prozent der 19.000 befragten pflegenden Angehörigen an, keine oder eher keine Menschen zu haben, auf die sie sich immer verlassen können.

    Darum ist es wichtig, nicht nur Pflegebedürftige mit ihren Gefühlen, Bedürfnissen und Problemen zu beachten und zu berücksichtigen. Pflegende Angehörige sollten sich ebenfalls selbst genau beobachten und bei Einsamkeit frühzeitig Beratungs-, Hilfs- und Entlastungsangebote wahrnehmen, Aufgaben abgeben oder Auszeiten planen.

    Einsamkeit in der außerklinischen Intensivpflege
    • Einsamkeit ist komplex und in ihrer chronischen Variante nur mit vielen Angeboten, viel Unterstützung und viel Durchhaltevermögen zu besiegen.
    • Der beste Weg ist es, chronische Einsamkeit erst gar nicht entstehen zu lassen. Gerade in der häuslichen Intensivpflege ist das eine Herausforderung, da Pflegebedürftige und pflegende Angehörige durch die häufig schwere Grunderkrankung und fehlende Mobilität einen Großteil ihrer Zeit im eigenen Zuhause verbringen.
    • Um in dieser Situation soziale Isolation und Einsamkeit zu vermeiden, sind alle an der Pflege Beteiligten gefragt.

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