GIP News • 22.05.2018

Männer in Pflegeberufen

Händeringend gesucht

Männer spielen bisher in der Pflege kaum eine Rolle. Doch wie können Pflegeberufe für Männer attraktiver werden? Eine Analyse.

Die Fakten

Viele von uns sind bereits jetzt unmittelbar mit einem brisanten Thema konfrontiert, die meisten werden im Laufe ihres Lebens damit Bekanntschaft machen: PFLEGE. Je wichtiger dieses Thema bisher gesamtgesellschaftlich wurde, umso leiser wurde es debattiert.

Doch die aktuellen und prognostizierten Zahlen sprechen dafür, dass sich das ändern wird – und muss: Die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich in den nächsten 20 Jahren von derzeit rund zweieinhalb Millionen auf gut dreieinhalb Millionen erhöhen.

Experten gehen davon aus, dass auch in Zukunft etwa zwei Drittel der zu Pflegenden zu Hause versorgt werden. Drei Gründe sprechen dafür, dass sich die Belastungen in der häuslichen Pflege erhöhen werden. Da wären zum einen die demographisch bedingten Zunahmen von Pflegefällen. Als zweites ist er gleichzeitige Rückgang des Anteils der Jüngeren zu nennen. Der dritte Punkt macht die zunehmenden Anforderungen in der Arbeitswelt sowie die Mobilitätserwartungen aus.  

 

Ist die Pflege „typisch weiblich“?

Mit einem Blick auf die nackten Tatsachen muss die Antwort derzeit lauten: JA. Mehr als 70 Prozent der Hauptpflegepersonen in der häuslichen Pflege sind Frauen – Ehefrauen, Töchter, Schwieger- oder Enkeltöchter. Noch höher ist der Frauenanteil in der professionellen Pflege. In den ambulanten Pflegediensten arbeiten 88 Prozent Frauen, in den Pflegeheimen sind rund 85 Prozent weibliche Beschäftigte zu finden. Ein Blick zurück lässt ebenso erstaunen wie schmunzeln: Noch bis Mitte der 1970er wurden Männer in der Mehrzahl der Altenpflegeschulen nicht zugelassen. Der Bereich der Altenpflege galt als Anlernberuf für Hausfrauen! Nicht von ungefähr wird die Altenpflege noch immer als klassischer Frauenberuf betrachtet. Das tradierte Jahrhunderte alte Rollenverständnis geistert noch immer in den Köpfen: Nur Frauen seien von Natur aus mütterlich und fürsorglich. Das vermeintlich schwache Geschlecht sei quasi biologisch auf Pflege gepolt.

 

Männliche Lichtblicke

Männer sind bereits jetzt deutlich aktiver an der Pflege beteiligt als allgemein angenommen und immer wieder behauptet wird. Allein dies betrifft nur die häusliche Pflege! 27 Prozent der Hauptpflegepersonen in der häuslichen Pflege sind bereits jetzt männlich. Die Zahl der in der Häuslichkeit pflegenden Männer steigt mit zunehmendem Alter. Vor allem im Rentenalter sind die Herren der Schöpfung pflegerisch aktiv. Bei den Gepflegten handelt es sich in der übergroßen Mehrheit um deren Ehefrauen oder Lebenspartnerinnen. Im Vordergrund steht dabei eine meist jahrzehntelange gemeinsame Lebenslinie.

Viele wollen auch als Pflegende zurückgeben, was sie im Laufe ihrer Partnerschaft an Zuwendung und Unterstützung erhalten haben. Während sich Männer in ihrer nachberuflichen Lebensphase schon heute überproportional an der Pflege von Angehörigen beteiligen, sind jüngere Männer deutlich seltener willens, Pflegeaufgaben zu übernehmen. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Rollenerwartungen bewirken, dass Frauen wegen der Übernahme von Pflegeaufgaben ihre Erwerbsarbeit oft einschränken oder sogar einstellen, während Männer, wenn sie Familienernährer sind, in der Vollzeittätigkeit verbleiben.  

 

Welche Vorurteile gilt es zu überwinden?

Im Gegensatz zur Pflege von nahen Angehörigen in der Häuslichkeit liegt der Männeranteil bei den „Profis“ deutlich niedriger. Dennoch nahm auch in Deutschland in den letzten 15 Jahren der Anteil an Männern in der Pflege fühlbar zu. Doch das genügt bei weitem nicht! Die endgültige Überwindung der althergebrachten Vorstellung, dass Pflegearbeit allein Frauensache sei, wird wohl noch viele Jahre dauern. Fachleute sagen: Eine wichtige Voraussetzung für ein größeres Engagement der Männer in der Pflege ist eine Entfeminisierung der Pflegearbeit. Männer in Pflegeberufen sehen sich mit einer doppelten Stigmatisierung konfrontiert: Einerseits müssen pflegende Männer ihre „Männlichkeit“ beweisen und sich dafür „rechtfertigen“, dass sie in einer Frauenwelt arbeiten. Weil Krankheit und Pflegebedürftigkeit zum anderen von traditionell Denkenden als unmännlich angesehen wird, bewirkt ein ständiger Umgang mit pflegebedürftigen Männern nicht selten eine permanente Kränkung ihrer männlichen Identität. Bei Experten herrscht darüber Einigkeit, dass es eine neue Definition von Männlichkeit braucht, die einseitige dominante Männlichkeitsmuster überwindet. Außenstehende verbinden die Pflege viel zu oft nur mit füttern bzw. Windel und Urinbeutel wechseln. Dabei wird meist übersehen, welch hohes Maß an sozialer Kompetenz sowie medizinisches und pflegerisches Fachwissen für diesen Beruf erforderlich sind.  

 

Pflegen Männer anders als Frauen?

Die Zukunft der Pflege bedeutet, Pflegeberufe auch für Männer selbstverständlich und attraktiv zu machen. Dabei ist es durchaus ein positiver Aspekt, dass Männer sich auch in der Organisation der Pflege von Frauen unterscheiden. Sie sehen hierin vor allem eine Aufgabe, die organisiert und bewältigt werden muss. Dazu nehmen sie frühzeitig fremde Hilfe in Anspruch und lassen insbesondere körpernahe Dienste von Professionellen leisten. Sie beugen damit einer emotionalen Überforderung und Burnout-Syndromen vor und verhindern, dass die Pflege sie „auffrisst“.

Dies führt dazu, dass Männer sich durch die Pflege weniger stark belastet fühlen als Frauen und eine signifikant geringere depressive Symptomatik aufweisen. In der professionellen Pflege sind Männer nicht nur wegen ihrer besseren Physis gefragt. Moderne Hilfsmittel erleichtern auch dem schwachen Geschlecht die pflegerische Arbeit zunehmend, aber nicht immer und überall ist diese im passenden Moment zur Hand.

Auch ihre Technik-Affinität prädestiniert Männer für die Pflege. Denn nicht nur die Medizin ist immer technischer geworden auch die Pflege. Im intensivmedizinischen Bereich ist das Geschlechterverhältnis zunehmend ausgeglichen: Dass Männer oftmals ein besseres Verständnis für Technik haben, könnte eine der Ursachen sein. Ein weitverbreitetes Vorurteil hat die Praxis längst widerlegt: Männer können auch Körperpflege im Intimbereich.  

 

Pflegende Männer: Auftrag und Chance

Noch sind in den ambulanten Pflegediensten und in Pflegeheimen fast ausschließlich Frauen beschäftigt. Deshalb wird es in Zukunft verstärkt darum gehen müssen, die Pflege auch für Männer selbstverständlich zu machen. Denn nicht nur alte Männer brauchen pflegende Männer, die sie als Männer wahrnehmen. Schließlich ist der Anspruch auf geschlechtersensible Pflege nach Paragraph 2 des SGB XI, („Die Wünsche der Pflegebedürftigen nach gleichgeschlechtlicher Pflege… (sollten) nach Möglichkeit Berücksichtigung … finden“) ohne männliches Personal nicht zu realisieren.

 

Welchen Stellenwert haben Pflegeberufe?

Eine sehr hohen. Sagen Sozialpolitiker in Sonntagsreden. Die Realität ist eine andere. In kaum einem anderen Bereich als in der Pflege erfährt DIENEN & LEISTEN einen so geringen Stellenwert. Zu Recht erwarten daher die Pflegenden eine höhere gesellschaftliche Wertschätzung. Nur ein stimmiges Gesamtpaket kann einen Beruf attraktiver machen, der künftig noch stärker nachgefragt sein wird. Eines haben Fachleute dabei stets deutlich gemacht: Ob jemand für den Pflegeberuf geeignet ist, lässt sich nicht am Geschlecht festmachen.  

 

Fazit

Männer spielen bisher als Zielgruppe in der Pflegeforschung kaum eine Rolle. Nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen fragen nach den Motiven, Interessen und Konflikten pflegender Männer. Es gibt ferner (zu) wenige Studien, die zielführenden Aufschluss darüber geben können wie Pflegeberufe für junge Männer attraktiver werden können. Es ist daher wohl dringend geboten, die Arbeit pflegender Männer nicht nur wahrzunehmen, sondern auch wissenschaftlich zu untersuchen. Um mehr Männer für Pflegeaufgaben zu gewinnen, braucht es vor allem verlässliche, repräsentative Daten. Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und auch Arbeitgeber müssen ihre Hausaufgaben gründlicher und gewissenhafter machen.  Andernfalls verliert die berechtigte Forderung „Mehr Männer in die Pflege“ an Glaubwürdigkeit. 

 

 

Anzahl der derzeitigen Pflegekräfte in den einzelnen Einrichtungen

(nach der Pflegestatistik 2015, erschienen 2017)

Im Jahr 2015 waren knapp 1,1 Millionen Menschen in ambulanten Pflegediensten und stationären Pflegeeinrichtungen beschäftigt. Das sind rund 74 Prozent mehr als 1999.

Stationär vs. Ambulant

Die Zahl der Pflegefachkräfte in ambulanten Diensten und stationären Einrichtungen nach SGB XI hat sich zwischen 1999 und 2015 um rund 77 Prozent erhöht

310.539 Altenpfleger und Altenpflegehelfer gewährleisten in 13.300 ambulanten Pflegediensten und in 13.600 stationären Pflegeeinrichtungen eine qualitätsvolle Versorgung der Pflegebedürftigen.

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