GIP News • 08.06.2021

Pflegereform 2021: Flickwerk und viele offene Fragen

„Last-Minute-Pflegereform“ sorgt für Kritik – nicht nur aus der Pflege

Offen wie immer: Die Frage der Finanzierung…

Kurz vor der Sommerpause und der anstehenden Bundestagswahl bringt die amtierende Bundesregierung eine neue Pflegereform auf den Weg. Wie schon oft ist auch die bisher zumindest vom Bundeskabinett gebilligte Pflegereform 2021 nach Ansicht vieler Experten ein erneuter Schnellschuss des Jens Spahn und kein großer Wurf für eine zukunftsfähige Weiterentwicklung der Pflege. Die geplante Pflegereform ist eher ein „Reförmchen“ –  ein Kompromiss, der vielen Versprechungen und der so einige Fragen offenlässt. Wie immer vor allem eine: die der Finanzierung.

Was beinhaltet die neue Pflegereform?

Wir geben einen kurzen Überblick über den wichtigsten, geplanten Regelungen:

  • Pflegeeinrichtungen sollen ab September 2022 ihre Pflege- und Betreuungskräfte nach Tarif oder kirchenarbeitsrechtlichen Regelungen vergüten oder mindestens in Höhe eines Tarifvertrags oder von kirchenarbeitsrechtlichen Regelungen. Davon wird ihre Zulassung abhängig gemacht. Unklar ist allerdings, welcher Tarif hier überhaupt gelten soll.
  • Pflegebedürftige sollen von steigenden Zuzahlungen bei der Pflege im Pflegeheim entlastet werden. Dazu erhalten sie ab Januar 2022 entsprechende Zuschläge.
  • In der stationären Altenpflege soll ein einheitliches Personalbemessungsverfahren eingeführt werden.
  • Pflegefachkräfte sollen zukünftig mehr selbständige Entscheidungen treffen dürfen, z. B. bei der Auswahl von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, bei der Dekubitusversorgung oder Kompressionsverbänden.
  • Die Kurzzeitpflege etwa nach einer Behandlung im Krankenhaus soll ausgebaut werden. Es besteht zudem zukünftig ein Anspruch auf eine bis zu zehntägige Übergangspflege.
  • Um die Pflegereform zu finanzieren, wird der Bund ab 2022 einen Zuschuss von einer Milliarde Euro an die Pflegeversicherung zahlen. Zudem soll der Zuschlag für Kinderlose beim Pflegebeitrag von 3,3 auf 3,4 Prozent des Bruttolohns angehoben werden.

 

Das Pflege-Reförmchen: Kritik von vielen Seiten

Während der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, die Pflegereform als einen Schritt mit "Siebenmeilenstiefeln in die richtige Richtung" bezeichnete, hagelte es von vielen verschiedenen Seiten Kritik an den Kompromisslösungen der neuen Pflegereform.

 

So meint der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) sogar, dass die Verabschiedung der Pflegereform ein schwarzer Tag für die private Altenpflege sei. Kritisch sieht der bpa vor allem die Kopplung von Versorgungsverträgen an eine tarifliche Entlohnung. Dabei werde das betriebliche Risiko und das unternehmerische Wagnis nicht angemessen berücksichtigt. Der stellvertretende bpa-Präsident Meurer sieht die private Pflege in Gefahr: "Die Bundesregierung hat heute gegen die private Pflege entschieden und gefährdet damit sehenden Auges die Existenz tausender Pflegeeinrichtungen samt Arbeitsplätzen." Der bpa erwägt rechtliche Schritte gegen die geplante Tariftreueregelung, da sie mehrere Grundrechte verletze und gegen die Tarifautonomie und Tariffreiheit verstoße.

 

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) kritisiert die Pflegereform als "laues Reförmchen" und sieht sie eher als Wahlkampf statt als Pflegereform. „Wir brauchen jetzt Maßnahmen, durch die wirkliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, der Personalsituation und der Gehälter auf den Weg gebracht werden, statt lauter Reförmchen, die nur zeigen sollen, dass irgendetwas getan wurde, um die konzertierte Aktion Pflege und die Roadmap als Erfolg zu propagieren“, fordert daher DBfK-Präsidentin Christel Bienstein. Gesundheitsminister Spahn ignoriere die Forderungen und das mangelnde Vertrauen der Berufsgruppe konsequent.

Nach Ansicht des Deutschen Pflegerats (DPR) sei die Pflegereform 2021 zwar "besser als nichts", aber eher Stückwerk einer Politik, „… die sich nicht auf das Gesamte konzentriert, sondern versucht, einzelne Baustellen in Minischritten zu schließen." Viele Probleme blieben, so DPR-Präsident Franz Wagner, und auch die Umsetzung lasse Fragen offen wie die Klärung der Finanzierung, die Investitionskostenfrage oder eine stärker sektorenübergreifende Leistungserbringung.

 

Kritische Stimmen kommen auch aus den einzelnen Bundesländern. So geht Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek die Pflegereform nicht weit genug. Die Pflegebedürftigen in Deutschland hätten eine deutlichere Entlastung verdient. Es sei am Bundesfinanzminister gewesen, einen entsprechenden Bundeszuschuss zur Verfügung zu stellen.

 

Doch nicht nur die Höhe des Bundeszuschusses steht in der Kritik. Auch die stärkere Belastung der Kinderlosen stößt auf Ablehnung, da viele dies als ungerecht oder gar als Bestrafung für ihre Kinderlosigkeit empfinden. Nicole Westing von der FDP vermutet dahinter ein Wahlkampfmanöver: "Das zeigt vor allem, wie kurzsichtig Minister Spahn hier agiert. Kurz vor der Wahl will er offensichtlich eine komplette Beitragserhöhung nicht durchziehen."

 

Viele Fragen bleiben offen

Allerdings bleiben nicht nur bei der Finanzierung der neuen Pflegereform viele Fragen offen. Nicht berücksichtigt werden auch die schon seit Langem geforderten Verbesserungen für pflegende Angehörige und Menschen in häuslicher Pflege. Ungeklärt ist zudem, wie es mit der Pflegeversicherung insgesamt weitergehen soll. Es bleibt also für eine zukunftsfähige Ausrichtung der Pflege noch viel zu tun...

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