GIP News • 02.09.2020

Teilhabe am Arbeitsleben trotz Behinderung

Little-Helper – ein ganz besonderes Kleinunternehmen aus Bayern

Innovationen und Alltagshilfen für Menschen mit Behinderung aus dem 3D-Drucker

Bei Start-ups in Deutschland denken viele automatisch an junge Unternehmen in großen Städten wie Berlin, München, Hamburg oder Düsseldorf. Aber auch jenseits dieser Metropolen entstehen tolle Ideen und junge Gründer wagen den Sprung in die spannende Unternehmerwelt, wie im bayerischen Städtchen Altdorf bei Nürnberg. Hier haben sich zwei kluge Köpfe zusammengetan und im Juni 2020 ein ganz besonderes Kleinunternehmen gegründet. Es trägt den eher unscheinbaren Firmennamen „Little-Helper“, entwickelt aber im Gegensatz zu seinem bescheidenen Namen großartige und vor allem praktische Ideen für Menschen mit seltenen Erkrankungen oder Behinderungen.

Eine neue Generation von Alltagshilfen

Hinter dem jungen Unternehmen stehen die beiden Gründer Steffen Cyrol und Jonathan Bock. Sie wollen mit gut durchdachten und individuell anpassbaren Alltagshilfen das Leben von Menschen mit schweren Erkrankungen einfacher und damit lebenswerter machen. Dabei möchten sie allerdings nicht mit den etablierten Medizinproduktherstellern konkurrieren. Im Fokus von Little-Helper stehen ganz klar individuell anpassbare Alltagshilfen. In den großen Markt für häufig standardisierte Medizinprodukte möchte das Start-up nicht einsteigen und erfüllt bislang auch einige der nötigen Voraussetzungen nicht.

 

Beim gemeinsamen Zocken fing alles an

Die ungewöhnliche Geschäftsidee kam den beiden Gründern nicht von ungefähr. Steffen Cyrol arbeitet bereits seit vielen Jahren in der Pflege und kennt die spezifischen Bedürfnisse der Erkrankten gut. Jonathan Bock hingegen ist selbst Betroffener. Er lebt mit einer fortschreitenden, seltenen Muskelerkrankung. Wie viele andere Betroffene ist er in seinem Alltag auf fremde Hilfe oder technische Unterstützung angewiesen, passende und funktionale Alltagshilfen sind allerdings häufig nicht vorhanden. Beim gemeinsamen Computerspielen reichte es ihnen dann und sie nahmen die Dinge selbst in die Hand, wie Steffen Cyrol berichtet: „Da haben wir beschlossen, o.k., dann bauen wir uns das selber. Wir haben uns einen 3D-Drucker gekauft und damit angefangen, Alltagshilfen für Jonathan zu produzieren. Das hat sich zu einer Art Selbstläufer entwickelt. Dann kamen die ersten Anfragen, können wir was für andere Leute machen. Nachdem wir dann recht gute Qualität abliefern konnten, haben wir gesagt, lass es uns einfach mal probieren, das richtig offiziell zu machen und gemeinsam eine Firma draus zu machen." Little-Helper war geboren.

Ursprünglich kennengelernt hatten sich die beiden Gründer bereits 2008. Damals lebte Jonathan in einer betreuten Wohneinrichtung. Dort traf er auf Steffen, der damals eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger machte. Es folgte eine Phase mit wenig Kontakt bis sie vor vier Jahren wieder zusammenfanden und seitdem regelmäßig Zeit miteinander verbringen. Zu ihren gemeinsamen Lieblingsbeschäftigungen gehört das Zocken von Computerspielen. So entstand nicht nur Little-Helper, sondern auch die Idee für das derzeit noch in Entwicklung befindliche Hauptprodukt: der 3XOne.

 

Innovationen für Menschen mit Behinderungen

Der 3XOne ist eine innovative, technische Lösung für Menschen mit Behinderung, die ihre Tastatur oder Maus nicht mehr wie gewollt benutzen können. Das Produkt kombiniert drei Joysticks miteinander, die mit dem Mund und den Lippen bewegt werden können. Über ein zusätzliches Software-Programm lassen sich unkompliziert verschiedene Funktionen wie Mausbewegungen oder Tasten auf die Joysticks legen. Gaming, Internet, Social Media oder Office-Anwendungen, dank dem 3XOne können auch Menschen mit fortschreitenden Muskelerkrankungen oder anderen Behinderungen weiter ihren Rechner nutzen und an der digitalen Welt teilhaben. Dass die beiden Gründer intensiv an der Markteinführung der 3XOne arbeiten, hat sich dank guter Kontakte schon zur Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e. V. (DGM) herumgesprochen. Die ersten Anfragen liegen bei Little-Helper bereits auf dem Tisch.

In die Entwicklung des 3XOne haben die beiden Gründer und Entwickler schon viel Zeit, Geld und Herzblut gesteckt. Immer wieder wurde an Verbesserungen gefeilt, die dann von Jonathan einem ausführlichen Praxistest unterzogen wurden. Verschiedene Entwicklungsstufen des Mundjoysticks sind bei ihm seit über drei Jahren und bei einem guten Kumpel seit etwa zwei Jahren im Einsatz. Im Praxistest wird dem 3XOne dabei viel abverlangt, wie Steffen Cyrol berichtet: „Jonathan und sein Kumpel nutzen den 3XOne sehr regelmäßig für Computerspiele. Jonathan nutzt das Produkt zudem viel dazu, um seine 3D-Designs zu konstruieren und zu gestalten."

 

Mit guten Ideen durch die Corona-Krise

Um die langwierige und kostspielige Produktentwicklung sowie Markteinführung der 3XOne zu finanzieren, hat Little-Helper eine ganze Reihe weiterer Alltagshilfen für Pfleger und Menschen mit Behinderungen sowie Werbeartikel im Portfolio. Das Spektrum reicht vom praktischen Strohhalmhalter für Menschen mit Muskelerkrankungen bis hin zum Earsaver für Mitarbeiter in medizinischen Berufen, die in der aktuellen Corona-Pandemie den ganzen Tag eine Mund-Nase-Bedeckung tragen müssen. Der Earsaver lässt sich individuell mit einem Logo bedrucken und wird mittlerweile von einer ganzen Reihe von Physiotherapeuten und Arztpraxen in der Region genutzt.

 

3D-Druck macht es möglich

Technisches Herzstück von Little-Helper ist ein hochmoderner 3D-Drucker. Dieser ermöglicht es den beiden Gründern, individuelle Alltagshilfen in begrenzten Stückzahlen für die Kunden zu produzieren. Binnen kürzester Zeit konnten sie sich durch ihr breites Kontaktnetzwerk und ihre innovativen Produkte einen guten Namen in ihrer speziellen Zielgruppe erarbeiten.

 

Mechaniker vs. Koordinator

Die Aufgabenverteilung ist in dem aufstrebenden Unternehmen klar geregelt. Steffen Cyrol ist Mechaniker, technischer Entwickler, Programmierer und Elektroniker. Jonathan Bock wiederum ist Koordinator und entwickelt am Computer die 3D-Designs. Bei der Arbeit wird Jonathan dabei durch einen Assistenten unterstützt, der z. B. das Material in den 3D-Drucker einlegt. Eine Ausnahme von der klaren Aufgabenverteilung machen sie im Vertrieb. Hier sind beide Inhaber gleichermaßen aktiv und knüpfen fleißig neue Kontakte.

Das Geschäft läuft und so blickt Steffen Cyrol optimistisch in die Zukunft. Das durchaus realistische Ziel der beiden Jungunternehmer ist es, in ein paar Jahren von dem Unternehmen und den erwirtschafteten Gewinnen leben zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, investieren die Gründer das verdiente Geld in die Produktentwicklung und das weitere Wachstum ihres Kleinunternehmens. Auf staatliche Förderprogramme oder Kredite wollen die beiden Unternehmer dabei weitestgehend verzichten.

 

Immer eine Idee voraus

An weiteren Ideen für innovative Alltagshilfen mangelt es Little-Helper jedenfalls nicht. Um ihr Hauptprodukt 3XOne wollen die visionären Gründer ein ganzes Ökosystem entwickeln, mit zusätzlichen Schaltern und Anschlüssen für Erweiterungen. Doch damit nicht genug. Schon längst tüfteln Steffen und Jonathan im privaten Rahmen an weiteren Innovationen. Diese werden dann von Jonathan bereits im Versuchsstadium auf ihre Praxistauglichkeit getestet. Die Komplexität der technischen Lösungen geht dabei weit über den Level des 3XOne hinaus. So entwickelten die beiden Freunde bereits eine Alltagshilfe, die die Armbewegung bei Muskelerkrankten unterstützen und übernehmen kann. Mit dem überzeugenden Ergebnis, dass Jonathan seinen Arm wieder selbständig lagern konnte.

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Danksagung

Wir danken Steffen Cyrol von Little-Helper für das Interview und die spannenden Einblicke in das junge Unternehmen.

Little-Helper im Web

Mehr Informationen zum Kleinunternehmen (GbR) sowie seinen Produkten und Leistungen finden Sie unter: https://www.little-helper.org/

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