Tiergestützte Therapien in der Intensivpflege

Tierisch gute Wegbegleiter

Tiere und Menschen haben einen besonderen Kontakt zueinander, weil ihre Beziehungen ehrlich und direkt sind. Tiere haben keine Vorurteile und gehen natürlich mit ihrem Gegenüber um. Diese unverstellte Nähe kommt Menschen mit Behinderungen zu Gute und bildet die Grundlage für tiergestützte Therapien. 

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Das Lämmchen auf Sissys Arm nähert sich langsam und ganz vorsichtig dem Gesicht von Joel. Anfänglich ist der 8-Jährige noch ganz zappelig. Das Lämmchen bleibt aber ruhig und stubst mit seiner kleinen Zunge die Wange des Jungen an. Joel, der sich nur schwer auf eine Sache konzentrieren kann, entspannt sich sichtlich und streichelt das Tierbaby konzentriert. "Diese Reaktionen erleben wir hier öfter", erzählt Sissy, die mit ihrem Partner einen Gnadentierhof in Rositz aufgebaut hat und spezielle Angebote für Menschen mit Behinderungen bereithält. "Unsere Tiere haben eine beruhigende Wirkung auf Menschen. Es gibt keine Berührungsängste von beiden Seiten und das ist vorallem auch für intensivpflegebedürftige Patienten eine besondere Erfahrung", berichtet sie. 

 

Die Wirkung von Tieren

Grundlage für tiergestüzte Therapieverfahren

Die Wirkung von Tieren bildet seit mehr als zwei Jahrzehnten die Grundlage für tiergestüzte Therapieverfahren. Doch bereits im 8. Jahrhundert sollen in Belgien Tiere zu therapeutischen Zwecken eingesetzt worden sein. Geistig erkrankte Menschen hatten die Aufgabe, sich um die Pflege von Kleintieren zu kümmern. Im 19. Jahrhundert gab es die ersten Versuche tiergestützter Therapien in Deutschland. In einem Behandlungszentrum für Epileptiker in Bielefeld wurden Hunde, Katzen, Vögel und Pferde eingesetzt. 1969 beschäftigte sich der Kinderpsychologe Boris Lewinson wissenschaftlich mit der Tier-Mensch-Beziehung und setzte Tiere als "Co-Therapeuten" ein.

 

Heute werden ergänzende Therapiewege insbesondere mit Hunden, Delfinen, Pferden, Lamas, Alpakas und Katzen gegangen. Es gibt unterschiedliche Meinungen zur Effektivität dieser Therapien, obwohl viele Erfolge bei Menschen mit körperlichen und mentalen Handicaps dokumentiert sind. Der Erfolg einer Therapie mit Tieren hängt einerseits vom Therapieziel und andererseits davon ab, ob dafür die geeigneten Tierarten mit den jeweils passenden Patienten zusammenkommen. Als wichtigster Grund gilt die Neutralität von Tieren, die Menschen unvoreingenommen begegnen. Vorurteilsfreie Zuwendung ist ein hohes Gut.

 

Tiergestützte Therapien wirken auf mehreren Ebenen. Sie können die körperliche Verfassung verbessern, zum Beispiel durch Bewegung, Gleichgewichtsübungen und Haltungskorrektur, wie etwa beim therapeutischen Reiten. Sie fördern aber auch die mentale Balance. Die Nähe zu Tieren sorgt einerseits für Entspannung und Ausgeglichenheit, andererseits werden seelische Selbstheilungskräfte aktiviert sowie soziale und kommunikative Talente gefördert, da der Patient während der Tierbegegnung mit seinen eigenen Gefühlen konfrontiert wird und lernen muss, damit umzugehen. Es können Gefühle der Zuwendung oder Ablehnung sein. Menschen bekommen eine direkte Rückmeldung auf ihre Körperhaltung, Stimmung und Bewegung. Sie können damit ihre Außenwirkung in sozialen Beziehungen trainieren. 

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Von Hunde- bis Hippotherapie

Hundegestützte Aktivitäten

Der Hund gilt als besonders gefühlvoller Therapiebegleiter, der intelligent auf Menschen eingehen kann. Diese Gabe wird besonders in der hundegestützten Therapie eingesetzt, in der ein ausgebildeter Therapeut den ebenfalls ausgebildeten Vierbeiner als Medium benutzt, um möglichst nahe an den Patienten heranzukommen. Diese Therapie wird sehr häufig dann angewendet, wenn verbale Kommunikation nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Bei hundegestützten Aktivitäten soll das allgemeine Wohlbefinden der Pflegeperson verbessert werden. Der Hund besitzt die Gabe, über Blicke, Geräusche und Anstubsen mit Patienten zu kommunizieren. Verstärkt werden diese hundegestützten Aktivitäten in Pflege- und Behindertenheimen eingesetzt. Aber auch bei Wachkomapatienten gibt es nachweisliche Erfolge.

 

Das beruhigende Schnurren einer Katze

Relevanter für Menschen mit ADHS, Angsterkrankungen, Depressionen, Persönlichkeits- und Essstörungen sind Katzen. Ihr Schnurren wirkt beruhigend auf sie und wirkt sich positiv auf das Einschlafverhalten aus. Durch das Schnurren wird das Hormon Serotonin im Gehirn ausgeschüttet, welches den Gemütszustand und den Schlafrhythmus steuert. Eine Studie der Universität Hohenheim bestätigt zudem, dass das Schnurren einer Katze wie autogenes Training wirkt. Allerdings sind Katzen im Gegensatz zu Hunden nicht dressierbar. Daher werden bei Therapien auch nur Katzen eingesetzt, die besonders zutraulich sind und den Patienten weder kratzen noch beißen. Leider gibt es auch Einschränkungen bei der tiergestützten Therapie mit Hunden und Katzen: Menschen mit Allergien, schwerer Neurodermitis, Erkrankung der Atemwege sowie immunschwächenden Erkrankungen sollten diese Tiere meiden.

 

Speziell ausgebildete Pferde

Bei Menschen mit Lähmungserscheinungen kommt häufig die Hippotherapie als eine Form der "Krankengymnastik" mit einem speziell ausgebildeten Pferd zum Einsatz. Die Patienten sollen auf dem Rücken des Pferdes ihren inneren Mittelpunkt wiederfinden und ein Gefühl für ihre Körpermitte entwickeln. Die Verbesserung des Balancegefühls und der Körperhaltung stehen bei dieser Therapie im Mittelpunkt. Oft wird die Hippotherapie mit dem therapeutischen Reiten verwechselt, bei dem stärker die Psyche der Betroffenen angeregt werden soll.

 

GIP-Patienten wie Sophie freuen sich über die regelmäßigen Begegnungen mit den Pferden. Für sie ist diese Aktivität Herausforderung gepaart mit Vorfreude und sozialer Interaktion, die ihr Selbstbewusstsein stärkt. Leider ist die Hippotherapie nicht geeignet für Patienten mit entzündeter Wirbelsäule, schmerzhaften Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke, Herzkreislaufstörungen oder medikamentös nicht gut eingestellten Anfallsleiden. Menschen, die unter einem aktiven Schub von Multipler Sklerose (MS) leiden, eine Bluterkrankheit oder Pferdehaar-Allergie haben, sollten auf die wippenden Bewegungen auf dem Pferderücken ebenso verzichten wie Patienten, bei denen die Gefahr von Thrombosen oder Embolien besteht.

 

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Ungewöhnliche Therapieformen

Lamas, Alpakas und Delphine

Neben den genannten häufig eingesetzten Vierbeinern gibt es auch Tiere, deren Therapieeinsatz aus Gründen der Kostenintensität oder regionaler Seltenheit weniger ausgeprägt sind. Wie die aus Südamerika stammenden Lamas und Alpakas, die auf speziellen Höfen gehalten werden und als sehr soziale Tiere von Natur aus freundlich sind. Vor allem bei Kindern werden durch den hohen Aufforderungscharakter (weiches Fell und große Augen) Abwehrmechanismen aufgeweicht und Beziehungen schnell aufgebaut. Als "Meister der Körpersprache" reagieren diese Tiere sehr schnell auf Stimmung, Atmung sowie Körperspannung und dienen erfahrenen Therapeuten als Spiegel der Patienten.

 

Da wissenschaftlich kein konkreter Nutzen nachgewiesen ist, gilt die Delfintherapie als eher umstritten. Oft basiert sie auf dem Prinzip der Belohnung: Der Patient soll erst eine Reihe von Aufgaben aus den Bereichen Physio-, Sprach- oder Verhaltenstherapie erfüllen, bevor er als Belohnung mit dem Delfin schwimmen oder spielen darf. Trotzdem erfreut sich diese kostspielige Therapieform großer Beliebtheit und soll vor allem Kindern mit Hirntraumata, Spastik, Autismus, geistiger Behinderung und seelischen Erkrankungen dabei helfen, ihre Konzent - rationsfähigkeit zu steigern und mit ihrer Umwelt zu kommunizieren. Die Klassiker der Delfintherapie in der Karibik werden mittlerweile durch Angebote in Europa ergänzt. Das Delfinarium in Nürnberg bietet beispielsweise für schwerbehinderte Kinder eine delfingestützte Therapie an, die von der Universität Würzburg wissenschaftlich begleitet wird. Die Therapiearbeit konzentriert sich dabei weniger auf die Zusammenarbeit mit dem Meeressäuger, sondern eher auf Gruppen- und Einzelgespräche mit Familienangehörigen.

 

Meer-, Minischweine und große Insekten

Weitere ungewöhnliche "Tiertherapeuten" sind Meerschweinchen, Kaninchen, Schildkröten, Minischweine, Hühner und große Insekten. Sie werden oft in Pflegeheimen oder psychiatrischen Einrichtungen eingesetzt. Jedes Tier hat eine besondere Eigenart, die sich gezielt für eine tiergestützte Förderung einsetzen lässt.

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Tiergestützte Therapien gehören derzeit nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Dennoch sollten sich Interessierte bei ihrer Krankenversicherung erkundigen, ob und in welchem Umfang Kostenübernahmen möglich sind. Bei Privatversicherten ist die Kostenerstattung vom Einzelfall abhängig. Dr. Carola Otterstedt, Verhaltensforscherin und Vorstand der Stiftung Bündnis Mensch & Tier, gibt Betroffenen den Tipp, dass die Begegnung mit Tieren nicht immer Geld kosten muss. "Setzen Sie sich auf eine Wiese und beobachten Sie den Mikrokosmos der Insekten, schauen Sie Pferden auf der Weide zu oder beobachten Sie Hunde auf dem Tobeplatz. Sie werden sehen, wie entspannend das ist." 

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