GIP News • 22.01.2015

Humor in der Pflege

Humor und die Entdeckung seiner therapeutischen Wirkung

Kann Humor Wunder bewirken? Das vielleicht nicht. Er kann uns jedoch einen Zugang zu Menschen eröffnen, die sonst für uns möglicherweise unerreichbar wären.

Ein bewegendes Beispiel schildert Christina Elser, Pflegeexpertin für Menschen im Wachkoma: „Herr W. ist 21 Jahre alt und liegt seit einem Motorradunfall auf der ersten schweizer Wachkoma-Station in der Rehab Basel. Wenn man ihm Witze erzählt, lacht er gern und viel – wenn auch nicht immer an der richtigen Stelle. Er nimmt aber wahr, dass es sich um Witze handelt und das Lachen ist ein Stück Lebensqualität für ihn geworden.“ (Elser 2007, S. 16)

Humor hat verschiedene Gesichter

Der Begriff „Humor“ steht für eine Gemütsverfassung, die durch eine heitere Gelassenheit selbst in schwierigen Situationen gekennzeichnet ist. 

Dazu gehören Ironie, Witz, Scherz, Kabarett, Galgenhumor, Fasching, Parodie, Satire oder auch schwarzer Humor (Proksch 2010, S. 212).

Seinen Ausdruck findet der Humor durch die menschliche Fähigkeit des Lachens oder  wie Groucho Marx von den Marx Brothers es formulierte: „Lachen ist wie Aspirin, es wirkt nur doppelt so schnell.“ 

Lachen ist gesund

Doch lassen sich Humor und Lachen auch in der Pflege sowie zu therapeutischen Zwecken einsetzen? Als wichtiger Wegbereiter gilt hier der Wissenschaftsjournalist Norman Cousins. Sabine Proksch (2010) hebt in ihrem Beitrag „Humor und Lachen in der Pflege“ die Bedeutung Cousins für die öffentliche Wahrnehmung der „Lachtherapie“ hervor: „Cousins litt an einer unheilbaren progressiven Kollagenose, die er durch Lachen selbst heilte.

Seine zunehmenden Schmerzen und Lähmungserscheinungen therapierte er mit positiven Emotionen. Da nach seiner eigenen Aussage Hoffnung, Liebe, Zuversicht und Lebenswille bei ihm vorhanden waren, konzentrierte er sich auf das Lachen und setzte „Lachsitzungen“ an. Er schaute sich witzige Filme an ... oder las lustige Bücher, um ganz bewusst stundenlang zu lachen.

Damit verbesserte sich sein Gesundheitszustand kontinuierlich.“ Aus den ersten Ansätzen haben sich mit der Wissenschaft vom Lachen (Gelotologie) sowie dem therapeutischen Humor eigene Forschungsgebiete entwickelt. Weltweit beschäftigen sich heute Wissenschaftler und Therapeuten mit den heilsamen Wirkungen des Humors.

 

Wirkungen von Humor

Lachen und Humor haben positive Auswirkungen auf viele Teile des menschlichen  Körpers. Sie haben jedoch nicht nur positive Effekte auf den Körper, sondern wirken sich ebenso positiv auf die menschliche Psyche aus. Der Psychologe Waleed A. Salameh unterscheidet in Bezug auf die Wirksamkeit von therapeutischem Humor drei Dimensionen, die emotionale, die kognitive und die kommunikative, voneinander (Titze/Eschenröder/Salameh 1994).

 

Humor sensibel einsetzen

Unabhängig von den vielen positiven Wirkungen kann nicht gelingender Humor jedoch genauso negative Folgen haben. Darauf weist Dita Schmidt in einem Beitrag zum „Humor in der Pflege“ in der Fachzeitschrift Die Schwester Der Pfleger (09/2010) hin: „Spott oder Hohn begleitet durch leicht süffisante Blicke können verletzen, erschrecken, Wut auslösen, aber eben nicht situativ entlasten oder anders positiv wirken. Die emotionale Belastung durch eine sowieso schon schwierige Situation kann sich dadurch eher verstärken. So wird der  Einsatz von Ironie und anderen eher unterschwelligen (tiefsinnigen) Humorformen eine Gratwanderung zwischen schallendem Gelächter und tiefer Verletzung“ (Schmidt 09/2010, S. 846).

Daher plädieren Experten wie Salameh für besondere Sorgfalt und Umsicht beim Einsatz von therapeutischem Humor. Nur so lassen sich potentiell destruktive Wirkungen auch tatsächlich ausschließen (Titze/Eschenröder/Salameh 1994).

 

Humor in Therapie und Pflege

In der Pflege kommt Humor in ganz verschiedenen Formen zum Einsatz. Experten bezeichnen dies als „Humorintervention“. Zu den bekanntesten Formen gehören Lachkoffer, Humorzimmer, Humorgruppen, Clowndoktoren und Klinikclowns (Siegel 2005, S. 58).

Im Gegensatz zu anderen Therapien und Heilmitteln ist Humor allerdings nicht planbar. Schmidt (09/2010, S. 846) erläutert die Besonderheit: „Das bedeutet für Humor als Heilmittel: Es ist ein zufallsabhängiges Mittel. Es kann nicht wie ein Medikament zu einer festen Zeit verabreicht werden und wirkt zu einem bestimmten Zeitpunkt.“

Darüber hinaus könne Humor nur dann seine volle Wirkung entfalten, wenn er offen zum Ausdruck komme und das Publikum ihn verstehe. Erst dann sei ein Mitlachen möglich. Genau diese Punkte versucht der therapeutische Humor zu beachten.

 

Mehr Humor in der Pflege

Ob Lachkoffer, Humorzimmer, Klinikclown oder einfach eine witzige Anekdote zwischendurch, es gibt viele Wege für mehr Humor in der Pflege und das auch jenseits der therapeutischen Humorintervention. Dita Schmidt, Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege, plädiert daher zurecht in Die Schwester Der Pfleger (09/2010) für eine tägliche Dosis Humor.

Dem möchten wir uns anschließen. Ob therapeutisch angeregt oder spontan entstanden – ein Lachen wirkt sich potentiell positiv auf die Gesundheit und das soziale Miteinander aus. Verantwortungsvoll eingesetzt, kann Humor so zu einer wertvollen Ressource für Patienten und Pflegekräfte werden, zu einem wirkungsvollen Gegengewicht gegen all den Stress, Schmerz und die Schwierigkeiten des Pflegealltags. Denn Pflege kann und sollte auch Spaß machen.

1. Die emotionale Dimension

Humor kann Hemmungen lösen und verdrängte Affekte wieder zum Vorschein bringen. Wenn z. B. ein Therapeut und ein Patient zusammen lachen, entsteht zwischen beiden ein unmittelbarer und spontaner Austausch von menschlichen Gefühlen in „freizügiger Gleichwertigkeit“. Dieser Austausch lässt sich therapeutisch für das Bearbeiten von Affekten nutzen.

 

2. Die kognitive Dimension

Humor regt kreative Potentiale von Patienten an und unterstützt die Fähigkeit zur Problemlösung. Es werden Bewertungen hinterfragt und Entscheidungen gefördert. Die Forscher reden hier von einer „explorierenden Haltung“, die scheinbare Normen und festgeschriebene Handlungsmuster hinterfragt.

 

3. Die kommunikative Dimension

Kommunikativ weisen die Forscher dem Humor die Rolle eines „erfrischenden, entspannenden, originellen und anregenden Kontaktmediums“ zu. Humor als therapeutisches Mittel schafft einen freundlichen und zwanglosen Umgangston. Offene und gleichwertige Interaktionen werden unterstützt. Barrieren und Widerstände beim Gegenüber werden verringert und abgebaut.

 

 

1. Der Lachkoffer

Als Inhalt von Lachkoffern nennt Pflegepädagogin Siglinde Anne Siegel: „Mögliche Gegenstände sind: Cartoons, Comics, Clownsnase, Scherzartikel (Furzkissen, Lachsack etc.), Buttons mit lustigen Sprüchen, Videos und Musikkassetten mit witzigem Inhalt, ein Humortagebuch, Luftballons, „Doofi -Brille“ etc.“ (2005, S. 58). Praktische Erfahrungen in der stationären Pflege zeigen, dass Lachkoffer sowohl von Pflegenden als auch von Patienten gut angenommen werden.

 

2. Humorzimmer

Ein Humorzimmer ist ein heller, fröhlicher Raum und zugleich Treffpunkt für Patienten und Pflegekräfte, mit dem Ziel, gemeinsam Spaß zu haben. Ähnlich wie beim Lachkoffer werden auch im Humorzimmer lustige Utensilien versammelt und in stationären Einrichtungen finden dort auch Spiele oder Partys statt.

Therapeutische Erfahrungen mit Humorzimmern im stationären Bereich zeigen, dass Patienten nach Besuch des Humorzimmers beispielsweise weniger Schmerzmittel benötigten.

3. Humorgruppen

Humorgruppen richten sich an Patienten, die unter depressiven, narzisstischen, psychosomatischen oder Angststörungen leiden. Die Patienten treffen sich regelmäßig zu gemeinsamen Aktivitäten. Es werden Witze oder lustige Alltagserlebnisse erzählt, Rollenspiele durchgeführt, Sketche geprobt, lustige Filme vorgespielt oder einfach Grimassen geschnitten.

Therapeuten schätzen sie als wichtige Ergänzung zum Gesamtbehandlungskonzept eines Patienten ein. Das gilt sowohl für stationäre als auch für ambulante Humorgruppen.

 

4. Klinikclowns

„Lachen fördert den Heilungsprozess“, aus dieser Erkenntnis entstand 1986 in Amerika die Idee regelmäßiger Clowns-Besuche in Kinderkrankenhäusern. 1993 startete die erste Initiative in Deutschland.

Bei ihren Auftritten greifen die ausgebildeten Clowns auf ein breites Repertoire an Darstellungsformen zurück. Was spontan und lustig wirkt, verlangt von den Clowns jedoch viel Sensibilität und ausführliche Vorgespräche mit Ärzten, Angehörigen sowie Pflegekräften. Der Kabarettist und Mediziner Eckardt von Hirschhausen hebt die Herausforderung für jeden Klinikclown hervor: „Die höchste Kunst besteht im sensiblen Improvisieren mit dem Kind, den Eltern, den Pflegekräften, der Situation. (...) Mal laut, mal leise, mal ein Lied lang, mal nur einen Augenblick oder einen Händedruck.“ (Focus Online 2008).

Quellen und Literaturtipps
  • S. A. Siegel: Darf Pflege(n) Spaß machen? Humor im Pflege- und Gesundheitswesen, Hannover 2005
  • Michael Titze: Therapeutische Erfahrungen mit Lachen, Vortrag SDR, 14.02.1994
  • C. Elser: Humor in der Pflege und Alltagsgestaltung mit Menschen im Wachkoma
  • Dita Schmidt: Humor in der Pflege – Humor als Heilmittel, in: Die Schwester Der Pfleger, 09 / 2010
  • Sabine Proksch: Humor und Lachen in der Pflege, in: Palliative Care: Handbuch für Pflege und Begleitung, Heidelberg 2010
  • Peter Hain: <link https: www.gip-intensivpflege.de typo3 www.humor.ch phain phkompetenz.html _blank external_link>Humor als therapeutische und soziale Kompetenz
  • Rote Nasen im weißen Kittel, Focus Online
  • <link www.gip-intensivpflege.de typo3 _blank external_link>Dachverband Clowns für Kinder im Krankenhaus Deutschland e. V.
Erkenntnisse aus der Lachforschung
  • Lachen reduziert die Produktion der Stresshormone Adrenalin und Cortisol
  • Lachen stärkt die Immunabwehr durch die vermehrte Bildung von T-Zellen
  • Lachen entspannt die Gesichtsmuskulatur und setzt Glückshormone frei
  • Lachen wirkt aktivierend auf das Herz-Kreislauf-System
  • Lachen befreit die oberen AtemwegeLachen fördert den Stoffwechsel und senkt das Schmerzempfinden

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