Epilepsie | Über die Erkrankung, die Epilepsieformen, Behandlung sowie Pflege
Die Epilepsie gibt es nicht. Vielmehr handelt es sich um verschiedene neurologische Erkrankungen, mit ganz unterschiedlichen Auswirkungen auf den menschlichen Körper. Experten sprechen daher nicht von Epilepsie, sondern von Epilepsien bzw. verschiedenen Epilepsieformen.
Überaktivität des Gehirns
In Deutschland leiden rund 600.000 Menschen an Epilepsien. Im Alter sind etwa fünf von 1.000 Menschen von diesen neurologischen Erkrankungen betroffen. Damit gehören Epilepsien zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Gleichzeitig sind sie die häufigste chronische Erkrankung des Zentralen Nervensystems (ZNS). Trotz des vergleichsweise häufigen Auftretens ist der Umgang mit Epilepsien bis heute von zum Teil stark negativen Vorurteilen geprägt. Nicht wenige Betroffene versuchen daher, ihre Erkrankung zu verheimlichen.
Epilepsien beruhen auf einer Erkrankung des Gehirns sowie des ZNS. Bei Betroffenen sind entweder das gesamte Hirn oder auch Teilbereiche überaktiv. Diese versenden zu viele Signale, was zu den charakteristischen epileptischen Anfällen führt. Für Betroffene fühlt sich das dann häufig wie ein Wirbelsturm oder ein Gewitter im Gehirn an.
Jeder kann an Epilepsie erkranken
An Epilepsie kann grundsätzlich jeder erkranken, ganz unabhängig von seinem Alter. Experten schätzen, dass rund fünf Prozent aller Menschen im Leben einmal einen epileptischen Anfall erleiden. Folgen diesem einen Anfall keine weiteren, liegt keine Epilepsie vor.
Ärzte sprechen erst von einer Epilepsie...
...wenn die epileptischen Anfälle unabhängig von Fieber Anzeichen einer Grunderkrankung sind. Bereits ab zwei, ohne einen ersichtlichen Auslöser auftretenden, epileptischen Anfällen wird bei Betroffenen von einer Epilepsie ausgegangen. Ebenso, wenn Betroffene nach ihrem ersten Anfall ein stark erhöhtes Risiko für weitere Anfälle haben.
Am häufigsten erkranken Kinder, Jugendliche sowie junge Erwachsene bis zum Alter von 20 Jahren an Epilepsie. In den Industrienationen tritt jährlich etwa bei 50 von 100.000 Kindern eine Epilepsie neu auf.
Auch Menschen mit einem Alter über 65 Jahren haben generell ein höheres Risiko, an Epilepsie zu erkranken. Dabei entstehen Epilepsien häufig in Folge von anderen Erkrankungen wie z. B. nach einem Schlaganfall. Das Problem: Epilepsien bei älteren Menschen werden oft nicht als diese erkannt.
Egal, wann die Epilepsie im Lebensverlauf auftritt, eine chronische Erkrankung stellt immer eine große Belastung für den Betroffenen und sein soziales Umfeld dar.
Epilepsieform bestimmen
Epilepsien sind mehr als nur epileptische Anfälle. Um die Epilepsieform eines Erkrankten genau zu bestimmen, spielen folgende Faktoren eine Rolle:
- Erkrankungsalter
- Ursache der Erkrankung
- Erscheinungsbild und Häufigkeit der epileptischen Anfälle
- Häufung in der Familie
- Charakteristische Befunde bei EEG-Untersuchungen
- Auftreten der Anfälle während des Schlafes
Es ist wichtig, die Epilepsieform eines Erkrankten genau zu bestimmen, um passende Therapien und Behandlungen einleiten zu können. Gleichzeitig lassen sich so genauere Aussagen zum Verlauf der Erkrankung treffen.
Je nach Alter der Betroffenen stehen unterschiedliche Ziele bei der Behandlung im Fokus:
- Epilepsien bei Kindern: Möglichst ungestörte Entwicklung in der Kindheit
- Epilepsien bei Erwachsenen: Erhalten der beruflichen und sozialen Situation
- Epilepsien bei Erwachsenen im höheren Lebensalter: Berücksichtigung anderer Erkrankungen
Epilepsieformen
Bei Betroffenen muss man zwischen dem Krankheitsbild bzw. der Epilepsieform sowie den Krankheitssymptomen wie epileptischen Anfällen unterscheiden.
Bei den Epilepsieformen wird zwischen fokal, generalisiert und unklassifiziert unterschieden.
- Fokal bedeutet, dass sich die Entladungen, die zu einem epileptischen Anfall führen, auf bestimmte Areale des Gehirns beschränken.
- Bei der generalisierten Epilepsieform sind zahlreiche Hirnareale in beiden Hälften des Gehirns betroffen.
- Epileptische Anfälle, die sich nicht klar lokalisieren lassen, werden als unklassifiziert eingeordnet.
Ursachen der Erkrankung
Auf Basis der Krankheitsursachen können verschiedene Gruppen von Epilepsien unterschieden werden. Für viele Epilepsien ist die Krankheitsursache allerdings bislang noch unbekannt.
- Die weltweit häufigste Ursache für Epilepsien sind Infektionen. Die Epilepsie entsteht direkt durch eine Infektion beispielsweise bei einer tuberkulösen Meningitis.
- Eine strukturelle Epilepsie entsteht z. B. durch einen Hirntumor oder Schlaganfall. Dadurch kommt es zu Veränderungen in der Hirnstruktur. Da die epileptischen Anfälle von einer bestimmten Stelle im Gehirn ausgehen, handelt es sich um fokale Epilepsien.
- Von einer genetischen Epilepsie sind eher Kinder und Jugendliche betroffen. Statt struktureller Veränderungen im Gehirn spielen hier eher genetische Faktoren eine Rolle. Typisch für genetische Epilepsien sind sogenannte generalisierte Anfälle, also Anfälle, die bereits zu Beginn beide Hälften des Gehirns betreffen. Allerdings handelt es sich bei Epilepsie nicht um einer Erbkrankheit. Hingegen gibt es Erbkrankheiten, die mit epileptischen Anfällen verknüpft sind.
- Auch verschiedene Stoffwechselerkrankungen können Epilepsien verursachen. Die Epilepsien sind dann ein Symptom dieser Erkrankungen des menschlichen Stoffwechsels.
- Neben Stoffwechselerkrankungen kann auch eine Störung des menschlichen Immunsystems Epilepsien verursachen. Sie werden immun vermittelte Epilepsien genannt.
Epileptische Anfälle
Bei epileptischen Anfällen handelt es sich um Funktionsstörungen im Gehirn. Diese werden durch zeitlich begrenzte, synchrone Entladungen an der Hirnoberfläche ausgelöst. Die Kommunikation zwischen den Nervenzellen ist gestört, was wiederum zu Störungen bei den angesteuerten Funktionen wie Sprache, Muskeln oder Bewusstsein führt. Dadurch können epileptische Anfälle ausgelöst werden, bei manchen Betroffenen mehrmals am Tag, bei anderen sehr selten im Leben.
Epileptische Anfälle werden zumeist durch das Zusammenspiel mehrerer Ursachen ausgelöst. Sie können verschieden aussehen. So können sie z. B. von den Betroffenen subjektiv erlebt, aber von anderen gar nicht wahrgenommen werden.
Als Abscence bezeichnete Anfälle...
...können nicht nur für äußere, sondern auch für den Betroffenen selbst, schwierig erkennbar sein. Sie gehen mit einem kurzen Verlust des Bewusstseins einher. Nach außen hin wirken die Betroffenen bei diesen Anfällen völlig ruhig, sind allerdings nicht ansprechbar.
Es gibt aber auch epileptische Anfälle, bei denen es zu Zuckungen in einzelnen Gliedmaßen wie Armen oder Beinen oder sogar in einer kompletten Körperhälfte kommen kann. Die Folgen können ein Sturz des Betroffenen oder das Loslassen der gerade in den Händen gehaltenen Gegenstände sein.
Der Grand mal
Bei einem großen bzw. tonisch-konischen Anfall, der auch als Grand mal bezeichnet wird, verkrampft sich der gesamte Körper eines Betroffenen. Es kann auch zu einem kurzzeitigen Atemstillstand kommen. Bei einem solchen Anfall stürzen die Betroffenen in der Regel hin. Anschließend wird der Körper von starken Zuckungen durchzogen.
Dauer eines Anfalls
Ein epileptischer Anfall kann zwischen wenigen Sekunden und wenigen Minuten dauern. Dauert ein Anfall mehr als fünf Minuten wird er als „Status epilepticus“ eingestuft und zum Notfall, der medikamentös behandelt werden muss. Auch mehrere kurz nacheinander auftretende Anfälle werden als Notfall eingestuft.
Nach einem Anfall arbeitet das Gehirn wieder normal. Epileptische Anfälle verursachen bei den Betroffenen in der Regel keine bleibenden Schäden. Allerdings kann es durch einen Sturz zu Sturzverletzungen kommen. Für Betroffene besteht zudem das Risiko, sich bei schweren Anfällen selbst zu verletzen.
Therapie & Behandlung
Auf Grundlage einer genauen Bestimmung der Epilepsieform kann eine erfolgreiche Behandlung eingeleitet werden.
Dabei handelt es sich normalerweise um eine Behandlung mit sogenannten Antiepileptika, also mit Medikamenten, die Krampfanfälle unterdrücken sollen.
Rund 70 Prozent der Epilepsien können heute durch Medikamente so behandelt werden, dass für die Betroffenen ein anfallsfreies Leben möglich wird.
Ergänzend zur medikamentösen Behandlung können andere Behandlungsmöglichkeiten ergriffen werden. Dazu gehören:
- chirurgische Eingriffe
- Neurostimulationen (Vagus-Nerv-Stimulation) mit niedrigen Stromstärken,
- eine ketogene Diät,
- psychotherapeutische Maßnahmen,
- eine Anpassung der Lebensführung, um Auslöser von Anfällen wie z. B. Schlafmangel oder bestimmte Geräusche zu vermeiden,
- sowie Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation.
Ziel der Behandlungen ist es, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Die guten Behandlungsmöglichkeiten sorgen dafür, dass die meisten Betroffenen heute auch langfristig anfallsfrei leben können oder die Anfälle zumindest besser unter Kontrolle bekommen.
Der dafür nötige Einsatz von Medikamenten kann allerdings dazu führen, dass das Denkvermögen der Betroffenen teils deutlich beeinträchtigt wird. Andere Nebenwirkungen sind schnelle Ermüdung, Verlangsamung oder leichtes Zittern.
Pflege & Intensivpflege bei Epilepsie
Epilepsien können in der Regel medikamentös gut behandelt werden. Bei einem geringen Prozentteil der Betroffenen funktioniert diese medikamentöse Behandlung allerdings nicht. Die Anfallssituation, eine erhöhte Gefahr für einen plötzlich auftretenden, unerwarteten Tod bei Epilepsie (Sudden Unexpected Death in Epilepsy – SUDEP) oder die Kombination der Epilepsie mit anderen Erkrankungen kann ambulante Pflege und Intensivpflege notwendig machen. Die Unterstützung durch einen ambulanten Pflegedienst bedeutet für die Betroffenen und die pflegenden Angehörigen in der Regel eine Entlastung sowie einen Zugewinn an Lebensqualität.
Epilepsie-Selbsthilfegruppen
Bundesweit gibt es zahlreiche Epilepsie-Selbsthilfegruppen. An diese können sich Betroffene und Angehörige wenden, um sich über die Erkrankung und die Bewältigung des Alltags mit Epilepsie auszutauschen.
Eine Übersicht über Epilepsie-Selbsthilfegruppen in Ihrer Region finden Sie unter www.epilepsie-vereinigung.de
Gern beraten wir Sie hinsichtlich Ihrer individuellen Situation und beantworten Ihre Fragen, z. B. zu Ihren Ansprüchen sowie zur Kostenübernahme bei außerklinischer Intensivpflege.
Seit 1996 findet der jährliche Tag der Epilepsie statt. Immer am 05. Oktober nutzen die zahlreichen Epilepsie-Selbsthilfegruppen diesen Aktionstag, um über Epilepsie und das Leben mit dieser neurologischen Erkrankung zu informieren.
Das Motto des diesjährigen Tages der Epilepsie lautet: 25 Jahre Tag der Epilepsie – gemeinsam stark. Mehr Informationen rund um den Tag der Epilepsie finden Sie z. B. unter: www.epilepsie-vereinigung.de