GIP News • 23.02.2022

Am Ziel vorbei: GIP-Klartext zur Pflege-Impfpflicht

Einrichtungsbezogene Impfpflicht kommt trotz massiver Kritik

Über ihre Sinnlosigkeit lässt sich dabei kaum mehr streiten

 

Es verbleiben noch gut drei Wochen bis gemäß des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19 ab 16. März 2022 in ganz Deutschland eine einrichtungsbezogene Impfpflicht gelten soll. Trotz Kritik aus zahlreichen Bundesländern hält man auch nach der Bund-Länder-Konferenz an der Pflege-Impfpflicht fest. Demnach sollen ab Mitte März 2022 in Kliniken, Pflegeheimen und bei ambulanten Pflegediensten nur noch Menschen arbeiten, die gegen Covid-19 geimpft sind, einen aktuell gültigen Genesenennachweis haben oder ein ärztliches Attest vorweisen können, dass für sie eine Impfung gegen Covid-19 aus medizinischen Gründen nicht möglich ist.

Eilantrag gegen Pflege-Impfpflicht vor Bundesverfassungsgericht abgelehnt

 

Die Eskalation des Pflegenotstands steht uns also kurz bevor, denn die Einführung einer Impfpflicht in der Pflege wird zweifellos zu weiteren enormen Versorgungsengpässen führen. Ein Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die geplante Teil-Impfpflicht im Pflege- und Gesundheitswesen wurde abgelehnt. Damit kann das Gesetz vorerst umgesetzt werden.

 

Die Richter (Beschluss vom 10. Februar 2022 1 BvR 2649/21) entschieden sich angesichts der "sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung" und dem hohen Risiko für die Gesundheit vulnerabler Menschen (hochaltrige Menschen sowie Menschen mit Vorerkrankungen, einem geschwächten Immunsystem oder mit Behinderungen), wenn sie sich infizierten, gegen das Aussetzen der Regelung. Ein vorläufiges Aussetzen des Gesetzes würde mit der Gefahr einer geringeren Impfquote in den betroffenen Einrichtungen einhergehen. Damit würde sich wiederum die Gefahr erhöhen, dass sich die dort arbeitenden Menschen infizieren würden und sie dann das Corona-Virus auf vulnerable Gruppen übertragen. Dabei waren die Sachverständigen, die das Gericht befragt hatte, fast alle der Ansicht, dass die aktuelle Impfung gegen Covid-19 auch einen Schutz vor der Omikron-Variante biete, selbst wenn der Schutz mit der Zeit nachlasse. So die Begründung des Richterbeschlusses.

 

Fest steht: Omikron macht vor niemandem halt

 

Soweit also der aktuelle Stand der Dinge. Sicher – die Corona-Fallzahlen in Deutschland bewegen sich in der aktuellen Omikron-Welle weiterhin auf einem sehr hohen Niveau und doch fällt eines auf: Omikron kann jeden treffen: Ob ungeimpft, geimpft oder sogar geboostert – das Virus macht vor niemandem halt.

 

Und auch das wichtigste Argument für die Begründung einer Impfpflicht, nämlich das Geimpfte weniger ansteckend als Ungeimpfte seien, scheint überholt. Stützten dieses Argument in der Vergangenheit wissenschaftliche Erkenntnisse und formulierte das Robert Koch Institut (RKI) im Mai 2020 noch, dass Geimpfte für das Infektionsgeschehen "keine wesentliche Rolle mehr spielen" würden, wurde diese Einschätzung bereits mit der Delta-Variante zweifelhaft und ist von der Omikron-Welle nun völlig überrollt worden.

 

"Impfen hilft. Auch allen, die du liebst."? Vom Fremdschutz zum Selbstschutz

 

"Impfen hilft. Auch allen, die du liebst.", lautet das Motto der aktuellen Werbekampagne der Bundesregierung. Dieser einfach gehaltene und wenig überzeugende Slogan versucht dabei nicht einmal auf die Gründe der Menschen einzugehen, die sich bisher nicht haben impfen lassen. Das aber nur am Rande. Vielmehr sollten wir uns aktuell mit der Frage beschäftigen, ob eine Impfung gegen Corona wirklich noch dem propagierten Fremdschutz dient.

 

Die aktuellen Zahlen und Expertenmeinungen zeigen das Gegenteil. Gemäß statistischen Erhebungen aus Großbritannien liegt der Schutz vor einer Corona-Infektion bei einer zweifachen Impfung bereits nach 90 Tagen nur noch bei 25 Prozent. Niedriger also als bei Genesenen. Hier liegt der Schutz noch bei etwa 44 Prozent. Bei Geboosterten wird die Grenze von 40 Prozent bereits nach 10 Wochen erreicht.

 

Und auch Experten erklären deutlich, dass man bei einer Corona-Impfung im Hinblick auf die Omikron-Variante kaum von einem Fremdschutz sprechen kann. Alexander Kekule (Virologe, Epidemiologe und ehemaliger Berater der Bundesregierung) etwa meint:

„Drei Monate nach dem Piecks könnte die Grundimmunisierung demnach noch zwei und die Auffrischimpfung bestenfalls vier von zehn Infektionen verhindern. Das überzeugende Argument für Impfung und Boosterung ist deshalb nicht der Schutz vor Ansteckung, sondern die Vermeidung schwerer Erkrankungen (Schutzwirkung 55 bzw. 75 Prozent) und Todesfälle (Schutzwirkung über 90 Prozent)“.

 

Thomas Voshaar, Chefarzt der Klinik für Lungen- und Bronchialheilkunde im Bethanien-Krankenhaus in Moers gibt außerdem Folgendes zu bedenken:

Wenn wir über die Impfpflicht sprechen, müssen wir über Ziele sprechen. Vor allem müssen wir in dieser Diskussion unterscheiden, ob es uns um den Schutz vor schweren Verläufen und Senkung der Sterblichkeit geht, oder um Übertragbarkeit. Wenn Ersteres im Vordergrund steht, und das sollte es, dann reden wir über die Impfung in typischen vulnerablen Gruppen. (...).!“

 

Sinnvoller: Impfpflicht für vulnerable Gruppen statt Pflege-Impfpflicht

 

Eine Impfpflicht würde also faktisch zum jetzigen Zeitpunkt einzig für vulnerable Gruppen Sinn machen. Denn für einen Schutz vor Infektion und Weitergabe der Omikron-Variante sind die aktuell verfügbaren Impfstoffe ungeeignet. Sie wurden gegen die ursprüngliche Variante des Sars-CoV-2-Virus entwickelt und konnten bereits bei der Delta-Variante leichte oder symptomlose Infektionen kaum verhindern. Bei Omikron schützen sie nunmehr fast ausschließlich den Geimpften gegen schwere und insbesondere tödliche Covid-Erkrankungen. Der Schutz vor einer Infektion hingegen und auch vor der Weitergabe des Virus ist viel zu gering, als dass sich damit die einrichtungsbezogene Impfpflicht weiterhin begründen ließe.

 

Pflegebranche wird trotz massiver Kritik an Impfpflicht weiter gegängelt

 

Trotz dieser Erkenntnis wird die Pflegebranche weiter gegängelt und soll zu einer Impfung gezwungen werden, die zweifelsfrei dem Selbstschutz, aber nicht dem Fremdschutz dient, mit dem sie begründet wird. Selbst Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der es eigentlich besser wissen müsste, hält an der Pflege-Impfpflicht fest. Dabei könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass es gar nicht um die Sache an sich geht, sondern darum, sich politische Fehlentscheidungen keinesfalls einzugestehen oder sie aufgrund neuer Sachverhalte zu korrigieren. Nein – man verharrt in der Entscheidung trotz massiver Kritik auch auf Länderebene, was die Sinnhaftigkeit der Pflege-Impfpflicht an sich, aber auch ihre Umsetzung angeht. Denn darüber hatte man bei Beschluss der Teilimpfpflicht für die Pflege und das Gesundheitswesen anscheinend gar nicht nachgedacht: Wer soll das Gesetz wie umsetzen?

 

Umsetzung der Pflege-Impfpflicht liegt auf Landesebene

 

Die Umsetzung der Pflege-Impfpflicht wurde von der Bundes- auf die Landesebene delegiert. In der Verantwortung stehen hier die Gesundheitsämter. Die Ämter also, die bereits jetzt maßlos mit der Kontaktnachverfolgung und dem Verhängen von Quarantäne- und Isolierungsbeschlüssen überfordert sind. Diese Ämter sollen nun auch noch eine Impfpflicht für das gesamte Gesundheitswesen kontrollieren und durchsetzen. Ja. So soll es sein. Auch an der Durchsetzung der Teil-Impfpflicht durch die Gesundheitsämter wird trotz bereits bestehender Überlastung festgehalten.

 

Gesundheitsminister präferieren ein gestuftes Umsetzungsverfahren

 

Einigen konnte man sich auf der jüngsten Gesundheitsministerkonferenz auf ein gestuftes Umsetzungsverfahren. Ein Beschluss zu dem Thema wurde allerdings nicht gefasst. Binnen 14 Tagen sollten die betroffenen Beschäftigten einen Impfnachweis vorweisen, sagte Petra Grimm-Benne, Gesundheitsministerin von Sachsen-Anhalt. Alle die, die sich noch impfen lassen wollen oder beispielsweise erst eine Impfung haben, sollten weiterarbeiten dürfen. Wenn die Arbeitgeber oder Gesundheitsämter die Gefährdung der Versorgung annähmen, solle es möglich sein, dass ein nicht geimpfter Arbeitnehmer für eine Übergangszeit weiterbeschäftigt werden darf, erklärte Grimm-Benne weiter. Dann sollten Auflagen wie eine tägliche Testung oder Arbeit im Vollschutz greifen, auch der Wechsel an einen anderen Arbeitsplatz sei möglich.

 

"Das sind aber alles Einzelfallentscheidungen. Wir sind der Auffassung, es gehört ein geordnetes Anhörungsverfahren dazu", sagte Grimm-Benne. Das brauche Zeit. Es gelte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. "Aber: Wir sagen, wenn alle Punkte geklärt sind, dann muss man auch irgendwann mal über ein Betretungsverbot sprechen, wenn keine anderen Gründe vorliegen."

 

Ein Ende des Spektakels ist in Sicht?

Die geplante Pflege-Impfpflicht ist also nicht nur maßlos sinnlos, sondern auch ein einziges Hin- und Hergerudere. Vielleicht ist letzteres aber auch politisches Kalkül: Denn kommen die Gesundheitsämter nicht hinterher, wird die Pflege-Impfpflicht ohne politische Revision auf Bundesebene einfach still im Rahmen eines Stufenplans in den Ländern versickern bis sie mit Stichtag des 31.12.2022 dann ausläuft. Denn, was viele nicht wissen: Die Regelung ist begrenzt bis zum Ende des Jahres. Wir harren also der Dinge, die da kommen …

 

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